Methoden
Theorie
Design
Daten
Literatur
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Woher können Linguist:innen ihre Forschungsdaten beziehen? Nennen Sie drei linguistische Datentypen.

Korpusdaten, Elizitation, Experimente, Introspektion

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Beschreiben Sie, warum folgender Satz akzeptabel scheint:

*The bodybuilder who worked with the trainers were complaining.

Hier sehen wir einen agreement attraction Effekt. Obwohl das Subjekt des Satzes singularisch ist (the bodybuilder), zeigt das Verb Pluralkongruenz (were). Es scheint, als würde das Verb mit der Nominalphrase the trainers anstatt mit dem Subjekt kongruieren, erstere die Abhängigkeit zwischen Verb und Subjekt stört. Jegliche vermeintliche Akzeptabilität dieses Satzes ist eine Illusion.

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Welchen Zweck erfüllen Filler in einem Experiment?

1. Sie machen das Forschungsvorhaben für Proband:innen undurchschaubar. 

2. Sie fördern die Aufmerksamkeit, da sie Abwechslung in die gezeigten Strukturen bringen. 

3. Wenn sie gut ausbalanciert sind, verhindern sie, dass Proband:innen monotone Urteile abgeben. 

4. Sie können genutzt werden, um die Aufmerksamkeit der Proband:innen zu kontrollieren und unkooperative Teilnehmende auszuschließen.

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Wie kommt es, dass mehrere Experimente zu ein und demselben Phänomen unterschiedliche Ergebnisse liefern können?

Folgestudien können existierende Studien nur replizieren, wenn die experimentellen Bedingungen, Umtände und strukturellen Feinheiten der Items konstant gehalten werden.

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Was ist laut Featherston (2007) der Grund, dass die formale Syntax stagniert?

Dass wir anstatt Hypothesen zu testen ständig neue generieren, was vor allem daran liegt, dass introspektive Urteile nicht hinterfragt und dadurch auch nicht verifiziert werden.

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Erläutern Sie, was an folgendem Prompt in einem experimentellen Setting problematisch ist:

Würden Sie das so sagen?

Indem Bezug auf die Versuchsperson selbst genommen wird, sieht sich diese potenziell in der Verantwortung, ihr eigenes (eigentlich natürliches!) Verhalten zu hinterfragen und unter Umständen sogar anzupassen. Dies kann insbesondere bei stigmatisierten Dialekten oder Konstruktionen das Ergebnis verfälschen, oder wenn Leute anfangen, vermeintliches Wissen aus der Schulgrammatik aktiv anzuwenden.

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Welches syntaktische Phänomen sehen wir hier?

*Who did the candidate wonder [whether the press would denounce ____]?

Inselverletzung: Interrogativsätze gelten als syntaktische Inseln, aus denen keine Elemente herausbewegt werden können.

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Was sind die drei Grundprinzipien der Wissenschaft und was besagen sie?

Objektivität: der Test und seine Ergebnisse dürfen nicht durch die persönlichen Ansichten und Erwartungen der Forschenden beeinglusst werden.

Validität: der Test misst, was er zu messen vorgibt, und seine Ergebnisse werden nicht durch Störfaktoren verfälscht.

Reliabilität: der Test liefert unter wiederholter Anwendung und unter den gleichen Bedingungen dasselbe Ergebnis.

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Was bedeutet es, wenn sich Proband:innen in einem forced choice task mit zwei möglichen Optionen für beide Optionen gleich oft entscheiden?

Wenn die Häufigkeit der Antworten für beide Optionen 50:50 steht, deutet dies darauf hin, dass die Proband:innen keine Präferenz haben und beide Optionen als gleichermaßen möglich oder unmöglich halten. Ob diese Beobachtung aussagekräftig für die Theorie ist, hängt vom Design ab. Werden zwei Optionen gegenübergestellt, von denen eine unmöglich sein sollte und die andere völlig akzeptabel, könnte entweder etwas mit der Theorie nicht stimmen oder Störfaktoren am Werk sein. Solche Ergebnisse sollten mit Vorsicht interpretiert werden, und insbesondere, wenn diese Beobachtung unerwartet ist, ist eine Folgestudie mit einer präziseren Methode oder der gezielten Manipulation des vermeintlichen Störfaktors angebracht.

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Was ist der Sinn introspektiver Urteile laut Featherston (2007)?

Sie sind die Grundlage für die Hypothesenbildung, sollten allerdings in jedem Fall experimentell überprüft werden.

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Wie beziehen theoretische Linguist:innen traditionellerweise ihre Forschungsdaten und warum ist diese Tradition nach wie vor so weit verbreitet?

Introspektion.

1. Extrem leicht und kosteneffizient.

2. Hohe Ausbeute, insbesondere, wenn Linguist:in selbst eine Sprache außerhalb des Mainstreams spricht.

3. Angeblicher Vorteil durch Expertise von Linguist:innen für nuancierte Urteile.

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Warum ist folgender Satz zweifellos akzeptabel?

Wir oder die Hunnen werden das Rennen gewinnen.

Mit "oder" koordinierte Subjektphrasen weisen eine Spannung zwischen referenziellem und formaler Kongruenz auf: während die gesamte Phrase formal pluralisch ist, referiert sie aufgrund der Disjunktion nur auf eine NP. Diese Spannung zwischen Person- und Numerusmerkmalen entsteht nicht, wenn der Exponent der formalen Merkmale beider Phrasen derselbe ist, sprich, wenn die zwei Formen synkretisch sind.

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Erklären Sie, was ein Satiation-Effekt ist (Snyder 2000).

Ein Satiation-Effekt tritt bei wiederholter Konfrontation mit gewissen ungrammatischen Konstruktionen auf. Je häufiger Sprecher:innen eine Struktur sehen, umso positiver beurteilen Sie ihre Akzeptabilität. Beispielsweise sind whether-Inseln von diesem Effekt betroffen:

Who does John wonder whether Mary likes ____?

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Was ist der Nachteil von Korpusdaten?

Durch Korpora haben wir keinen Zugang zu negativer Evidenz. Wir können nur beobachten, was möglich ist, aber nicht konkret, was unmöglich ist.

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Was ist laut Fanselow (2007) das Ziel syntaktischer Experimente?

Durch Experimente sollen nicht-syntaktische (aber dennoch linguistische) und interindividuelle (extragrammatische) Faktoren identifiziert werden, die einen Einfluss auf die Akzeptabilität von Items haben. Das Ziel ist systematisch zu trennen, was Teil des syntaktischen Systems ist und was nicht. 

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Was sind die Vorteile der forced choice Methode gegenüber nuancierteren Erhebungstypen?

Forced choice Daten liefern, zumindest bei einem validen Test und informativen Faktoren, eindeutigere Daten und größere Effekte. Sie sind besser geeignet, wenn es eher um die Abbildung einer Tendenz (akzeptabel oder nicht) geht als um feine Unterschiede (falls mehrere Optionen akzeptabel sind, welche sind am akzeptabelsten?).

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Warum ist ATB-Bewegung problematisch für die Syntaxtheorie?

[Welchen Hund] hat Marie ____ gestreichelt und Anton ____ gefüttert?

Die Standardannahme der Syntax ist, dass die Elemente einer Bewegungsabhängigkeit in einer 1:1 Beziehung zueinander stehen. Sprich: Wenn ein Element bewegt wird, sollte es auch nur eine Spur/Lücke/tiefer eingebettete Kopie hinterlassen. ATB-Bewegung verletzt dieses 1:1 Verhältnis, da ein einziges Element mit mehreren syntaktischen Positionen interagiert (sowohl semantisch als auch morphosyntaktisch).

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Warum sollte die Anzahl der Items in einem Experiment das Mehrfache der Anzahl der Bedingungen sein? (Latin-Square Design, jede Person sieht jedes Item in nur einer Bedingung)

Nehmen wir an, unser Experiment hat 13 Items und 4 Bedingungen. Für jede Bedingung machen wir mindestens 3 Beobachtungen pro Versuchsperson (z.B. Item 1 Bedingung a, Item 2 Bedingung b, Item 3 Bedingung c, Item 4 Bedingung d, Item 5 Bedingung a, ...), und je nach Verteilung der Items über randomisierte Listen, von einer der vier Bedingungen jeweils 4 Beobachtungen. Dies kann zu einer ungleichmäßigen Datenverteilung führen, wenn einzelne Versuchspersonen ausgeschlossen werden müssen. Hätten wir 16 Items bei 4 Bedingungen, kämen jeder Versuchsperson genau 4 Beobachtungen pro Bedingung zu, und unter Ausschluss egal wie vieler einzelner Versuchspersonen, wäre die Anzahl der Beobachtungen immer noch gleichmäßig über die Items und Bedingungen verteilt.

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[Sue's proud that Bill ____] and [Mary's glad that John ____] have/has traveled to Cameroon.

Grosz (2015) berichtet, dass manche Leute nur den Singular, andere nur den Plural, manche beides, und andere keins davon akzeptieren. Er schlussfolgert, dass die Pluralkongruenz syntaktisch bedingt ist. Ist das gerechtfertigt?

Reis (2017) argumentiert, dass die Pluralkongruenz in diesem Fall eine grammatische Illusion ist. Sie widerspricht Grosz aufgrund der Tatsache, dass manche Sprecher:innen selbst die Singularkongruenz ablehnen, da dies den Eindruck bestätige, dass sie verwirrt und überfordert sind. Sprich: die Syntax muss die Pluralkongruenz nicht generieren können, es ist ein oberflächliches, illusorisches Phänomen.

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Zu welchem Ergebnis kommen Sprouse et al. (2013) bei der Untersuchung einer zufälligen Stichprobe aus 1743 publizierten Datenpunkten? Sind die introspektiven Urteile in der Literatur falsch?

Nein, die Urteile konnten zu einem Großteil repliziert werden. Das Problem ist viel eher, dass in diesem Fällen der Ursprung der (In-)akzeptabilität strittig ist.

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Erklären Sie die Idee hinter der slider scale für Akzeptabilitätsurteile.

Bei einer slider scale nimmt die Forscher:in einen besonders geringen Einfluss auf die Urteile der Versuchsperson. Diese kann die Nuanciertheit der Urteile frei wählen und ist nicht durch eine vorgegebene Kategorisierung eingeschränkt. Falls zusätzlich keine exakten Werte angezeigt werden, können Versuchspersonen nicht von arbiträren Präferenzen geleitet werden (gerade Zahlen, Urteil schon zu oft/noch zu selten gewählt, etc.).

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Erläutern Sie, welche Regel dem Muster dieser französischen Daten unterliegt.
a. On me l' a montrée.
one 1sg.dat 3sg.acc has shown
‘Someone showed it to me.’ <1, 3>


b. On le lui a montrée.
one 3sg.acc 3sg.dat has shown
‘Someone showed it to her/him.’ <3, 3>

c. *On me t' a montrée.
one 1sg.acc/dat 2sg.dat/acc has shown
int.: ‘Someone showed me to you/you to me.’ *<1, 2>, *<2, 1>

d. On me lui a montrée.
one 1sg.acc 3sg.dat has shown
int.: *‘Someone showed me to her/him.’ *<3, 1>

<Person Dativobjekt, Person Akkusativobjekt>

Das starke Person Case Constraint: 1. und 2. Person Akkusativobjekte in ditransitiven Konstruktionen dürfen im Französischen nicht als Klitika realisiert werden.

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Warum ist es in der Syntax oft schwierig einzuschätzen, wie viele Beobachtungen wir für ein aussagekräftiges Experiment brauchen?

Idealerweise sollten Experimente eine statistische Power von > 80% aufweisen. Da diese unter anderem aus der Effektgröße berechnet wird, welche wiederum häufig aufgrund fehlender experimenteller Vorarbeit unbekannt ist, können wir meist nur grob schätzen, wie viele Proband:innen und Items für unsere Experimente nötig sind. Mit mindestens 200 Beobachtungen pro experimenteller Bedingung können wir meist einigermaßen stabile Aussagen treffen, und diese Situation verbessert sich hoffentlich langsam, je mehr experimentelle Studien zu den untersuchten Effekten existieren.

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Was ist statistische Power und durch welche Variablen wird sie beeinflusst?

Statistische Power ist die Wahrscheinlichkeit einer korrekten positiven Inferenz, also dass ein existierender Effekt tatsächlich vom Test aufgespürt wird (eine schuldige Person wird verurteilt). Sie wird von folgenden Faktoren beeinflusst:

1. Effektgröße: wie groß der Unterschied zwischen den Bedingungen ist.
2. Stichprobengröße: wie viele Beobachtungen gemacht werden.
3. Variabilität: wie hoch die Varianz und die Standardabweichung in den Daten ist.
4. Signifikanzlevel: ab welchem p-Wert die Nullhypothese verworfen wird.

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Ist Grammatikalität laut Fanselow (2007) ein graduelles Phänomen? Welches Beispiel führt er auf, um auf die Problematik von Gradienz hinzuweisen?

Laut Fanselow ist Grammatikalität nicht graduell. Der Trugschluss basiert seiner Ansicht nach auf Störfaktoren, die die Beurteilung von Items beeinflussen. Solche Störfaktoren sind z.B. wie typisch oder frequent ein Item ist. Er zitiert hierfür eine Studie von Armstrong, Gleitman & Gleitman (1983), in der Proband:innen das Konzept gerader und ungerader Zahlen graduell bewertet haben. 37582154 ist keine weniger gerade Zahl als 2, und genauso verhält es sich auch mit der Grammatikalität.